Wenn man jahrelang fast täglich unter Schmerzen leidet, ändert man sich unweigerlich. Man zieht sich zurück, man zweifelt an sich, irgendwann denkt man, dass man nie wieder schmerzfrei sein wird.

Als ich mein Bild zum ersten Mal gesehen habe, musste ich weinen. Sich selbst im Schmerz so betrachten zu können, kann einem die Augen öffnen. Ich habe mich gefragt, warum ich es zulasse, dass andere mich so verletzen, warum ich keine Grenzen setze, warum mir das Wohl der anderen wichtiger ist, als mein eigenes, warum ich mich so leicht verunsichern lasse und anderen mehr glaube, als mir. Gleichzeitig sehe ich einen selbstbewussten – und vielleicht etwas anklagenden – Blick in meinem Gesicht. Mein Portrait hat mir geholfen, diesen Teil meines Lebens abzuschließen und selbstbewusster daraus hervor zu gehen.
Jeder Mensch hat seine Geschichte
Acht lange Jahre hatte ich Schmerzen im rechten Hüftbereich und im Bein. Im Sitzen, Stehen, Gehen und Liegen. Fast täglich. Es gab Tage, an denen musste ich mein Bein nachziehen. Nach jahrelangem Tanzen hörte ich traurig damit auf, weil ich nicht mehr in der Lage war, Sport zu betreiben. Ich habe 20 kg zugenommen.
Unaufgefordert wurden mir Meinungen und Ratschläge zu meinem Leiden und Aussehen kommuniziert. „Es kann doch nicht so schlimm sein, man sieht ja nichts“. „Deine Schmerzen sind doch einfach Ausrede für deine Faulheit, wenn du ganz ehrlich bist“. „Iss einfach weniger Süßigkeiten, dann nimmst du ganz leicht ab.“
„Hast du dich e noch nicht ganz aufgegeben?“ war wohl der Satz, der mich am meisten prägte. Ich habe mich so geschämt dafür, dass ich nicht einmal meinem Freund davon erzählen konnte.
Niemand von den besagten Personen wusste etwas über meine Essgewohnheiten, meinen Tagesablauf unter Schmerzen und dennoch wollten sie in mein Leben eingreifen. Jeder wollte einen Beweis dafür, dass es mir wirklich schlecht geht.
Nach unzähligen – oft schmerzhaften – Behandlungen und Untersuchungen, fand ich endlich meine Physiotherapeutin. Sie erkannte das Problem bereits bei unserem ersten Termin. Nach Monaten harter Arbeit gab es immer mehr schmerzfreie Tage, meine Hüfte wurde mobiler. Ich konnte aufrechter gehen und schaffte sogar kurze Spaziergänge ohne Schmerzen. Doch plötzlich bekam ich nachts immer öfter heftige stundenlange Rückenschmerzen. Nach mehreren Versuchen, ernst genommen zu werden, glaubte ein Arzt mir mehr, als einem Ultraschall. Am gleichen Tag wurde mir meine Gallenblase entfernt, die vollständig entzündet war. Ein Stein steckte im Gallengang. Als mir der Arzt am nächsten Tag mitteilte, dass ich Recht gehabt hatte, musste ich weinen. So viele Jahre wurde mir nie wegen meiner Schmerzen geglaubt. Immer musste ich mich rechtfertigen und beweisen.
Die letzten Jahre wurde ich so oft wegen meinem Gewicht und meinen Schmerzen verurteilt und angesprochen. Meine Schmerzen wurden verharmlost, mir wurde nicht geglaubt. Ich hörte mir alles an, lächelte tapfer und sagte nichts dazu. Zuhause weinte ich und schämte mich unglaublich für mich – für mein Aussehen und für meine Schmerzen.
Ich habe mich in den letzten Jahren verloren. Habe Fremden mehr geglaubt als mir selbst. Habe sie über mich urteilen lassen. Dieses Portrait zeigt genau das. Was all diese Menschen mit mir gemacht haben und ich zugelassen habe.
Sie haben mir nicht geglaubt, haben mich schlecht und faul und hässlich fühlen lassen, haben mein Selbstwertgefühl geschwächt und meine Seele verletzt. Sie haben meine Seele so sehr verletzt.
Ich weinte meinen ganzen Schmerz heraus, als ich dieses Porträt kreierte. Wenn ich mein Bild ansehe, bin ich einerseits traurig über all den Schmerz und die enorme Anstrengung, die mich das alles gekostet hat. Und andererseits finde ich mich schön. Keiner hat das Recht mehr, mich so schlecht fühlen zu lassen.
Ich hoffe, du liebst dich, du schätzt dich. Egal was andere sagen.
2 Comments
mir ging es auch sehr viele Jahre so, dass mir meine eigene Wahrnehmung abgesprochen wurde..:-(.. und dann bin ich dem EmC = Emotional Clearing begegnet und damit hat sich mein Leben radikal geändert/verändert..weil ich verstanden habe, dass niemand genau weiss / wissen kann, was du fühlst und wie du reagierst…verstanden habe ich auch, dass uns oft unsere Wahrnehmung abgesprochen oder ab-erzogen wurde. das einzig Wahre, dass uns leitet…unser Gefühl.!!….und der innere Kompass / die innere Weisheit wird gestört und wir trauen / vertrauen uns selbst nicht mehr :-(..doch das kann verändert werden…und wir werden wieder „heil“…♥♥♥
Liebe Barbara, du bringst es auf den Punkt. Bei mir brauchte es diese Bestätigung bei der Operation, damit ich mich tatsächlich wieder traute, auf mein Gefühl zu hören.